Interview Mit Joseph Berlinger und Eva Sixt
Es ist eine Erleichterung. Und eine Zumutung!
2022, als die Kulturoptimisten ihre Zusammenarbeit mit Eva Sixt und Joseph Berlinger begannen, hatten wir die Gelegenheit, den beiden etliche Fragen zu ihrer Zusammenarbeit zu stellen.
Liebe Eva, lieber Joseph, wir freuen uns sehr, dass wir euch ein paar Fragen stellen dürfen. Fangen wir gleich an! Unsere erste Frage: Ihr kennt euch ja schon sehr lange. Aber wie lange eigentlich, und wie habt ihr euch kennengelernt?
Eva Sixt: Das war 1991. Wir wohnten beide in der Waffnergasse, direkt gegenüber. Ich hatte dort meine erste Regensburger Wohnung und Joseph wahrscheinlich seine fünfte. Eine Zeitlang haben wir uns nur respektvoll gegrüßt. Dann hat Joseph mich eingeladen, sein Theaterstück „Conquista“ anzuschauen. Das hatte ich allerdings schon gesehen… aber er hat mich nicht nur eingeladen, das Stück anzuschauen, sondern auch, in einem seiner nächsten Stücke mitzuspielen. Der eigentliche Auslöser war aber wohl, dass Joseph mich im Studententheater als Schauspielerin erlebt hat, in der Hauptrolle des Theaterstücks „Zyankali“. 1992 habe ich dann zum ersten Mal unter Josephs Regie gespielt: „Die Humanisten“ von Ernst Jandl. Seitdem arbeiten wir zusammen, spielen wir zusammen, sind wir befreundet. Dazwischen gab und gibt es Phasen, in denen jeder sein eigenes Ding macht.
Die Zusammenarbeit hat sich ja verändert. Zuerst war es die Konstellation „Schauspielerin-Regisseur“, seit mehreren Jahren seid ihr auch als Autoren- und Regie-Duo unterwegs. Wie kam es zu dieser Veränderung?
Eva Sixt: Ich hab bereits am Studententheater nicht nur gespielt, sondern auch inszeniert und geschrieben.
Joseph Berlinger: Etliche Jahre später, im Hesperidengarten, war Eva auch in einem Stück von mir Schauspielerin und Autorin. Sie hat in „Die sieben Todsünden“ zwei der sieben Sünden-Bilder übernommen, die Wollust und den Zorn.
Eva Sixt: Das Theaterstück bestand eigentlich aus 7 Theaterstücken. Zu jeder Todsünde eines. Und es dauerte viereinhalb Stunden. Joseph war überlastet, und ich bin in die Bresche gesprungen. So habe ich mich, über die Schauspielerei hinaus, in Josephs Theaterarbeit quasi reingeschlichen, sogar reingedrängt. Das war 2005.
Joseph Berlinger: 2009 habe ich im Turmtheater ein Stück über die Sissi gemacht, mit Eva als Kaiserin. Und auch da war sie nicht nur Schauspielerin, sondern auch Autorin. Der Monolog, den sie da geschrieben hat, hat mich sehr beeindruckt. Wieder ein paar Jahre später, 2015 im Schloss Hohengebraching, „Der Brandner Kasper in der Hölle“, 2017 dann „Hoffnung Havanna“ im Velodrom, die Geschichte des Simon Oberdorfer, das waren zwei Stücke, in denen sie nicht nur mitgeschrieben, sondern bereits einen Großteil des Textes geschrieben hatte. Das war dann die Zeit, als ich in einigen Interviews gesagt habe: die Eva schreibt längst besser als ich. Ein Kompliment, das ihr dann immer ein wenig peinlich war. Heute sieht sie ein, dass ich Recht hatte.
2022 habt ihr die Nibelungen inszeniert. Du hast von der Nibelungen-Stadt Plattling die Anfrage bekommen, Joseph, aber für dich war von Anfang an klar: du willst das gemeinsam mit Eva machen?
Joseph Berlinger: So war es. Ich hatte ja gesehen, dass durch unsere Zusammenarbeit viel bessere Theaterstücke entstanden waren, als wenn ich die Texte alleine geschrieben hätte.

Joseph Berlinger und Eva Sixt bei Proben im Jahr 1993
Joseph Berlinger: Nachdem wir uns geeinigt haben, um was es uns in einem Stück vorrangig geht, und mit welchen Mitteln wir die Geschichte oder den Stoff auf der Bühne erzählen und darstellen wollen, machen wir eine relativ klare Arbeitsteilung: wer welche Szenen schreibt. Meine Stärken liegen eher im Entwerfen von Theaterbildern, dem Atmosphärischen, Eva geht den Dingen, dem Stoff, den Motiven, den Figuren viel mehr auf den Grund. Den Hintergrund. Den Abgrund.
Eva Sixt: Es geht aber auch darum, dass wir als Team zusammenarbeiten. Ich bin so verfasst in meinem Schreiben und Arbeiten: ich brauche den Gesprächspartner, an dem ich mich reiben kann. Die Idee kommt oft beim Reden und die muss dann im Zwiegespräch präzisiert werden. Das ist aber etwas, was mehr mich ausmacht – den Joseph weniger. Eine Zusammenarbeit ist aber auch etwas sehr Komplexes und etwas, was sich laufend verändert.
Jetzt haben wir viel über die Textarbeit gesprochen. Aber wie funktioniert die gemeinsame Regiearbeit?
Joseph Berlinger: Die Arbeit mit den Schauspielern macht vorwiegend die Eva. Weil sie selber Schauspielerin ist, kann sie viel besser vermitteln, was wir uns vorstellen.
Eva Sixt (lacht): Das liegt zum Teil aber auch daran, dass ich besser bei Stimme bin als du!
Joseph Berlinger: Und du redest auch lieber als ich!
Eva Sixt: Was heißt „lieber“ – bei mir sprudelt es einfach. Ich habe eine bestimmte Art, Regie zu führen. Ich muss das spüren. Ich bin eine von denen, die auf die Bühne springen und sich in die Rolle finden, schauen: Was ist jetzt? Wie fühlt sich das an? Wie ist der Blick? Was ist möglich? Wie ist die Bewegung? Ich muss da quasi selbst als Schauspielerin mitarbeiten. Zumindest bei der Arbeit mit Amateuren.
Seid ihr euch da immer einig?
Eva Sixt: Natürlich nicht… und es lässt sich auch nicht immer alles ausdiskutieren. Wir tauschen Argumente aus, wir streiten über Inszenierungslösungen – vorher, in der Probe und nachher. Das ist das Tolle an der Arbeit im Duo ist, dass du immer nochmal nachschärfen musst, deine Lösungen, deine Bilder, deine Argumente. Du musst den anderen überzeugen! Das treibt auch oft tolle Blüten. Ich glaube, dass wir uns gegenseitig sehr guttun. Nicht nur als Korrektiv, sondern auch indem wir uns ergänzen. Es gibt aber auch – wenn man sich nicht überzeugen kann – sowas wie das „erste Recht“ – also die Dominanz über die Szenen, die man selbst geschrieben hat.
Das heißt, bei euch bleibt das Gefühl, dass eure gemeinsame Arbeit etwas „Höheres“ ist, als wenn jeder für sich selbst arbeiten würde – und es sich nicht um Kompromisse handelt?
Eva Sixt: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Kompromisse? Ich weiß nicht. Jeder bringt seine Stärken ein und redet dem Anderen die Schwächen aus. Es ist auch oft eine Erleichterung und einfach schöner, im Duo zu arbeiten. Wenn einen die Kraft und Konzentration verlassen, übernimmt der andere. Aber es ist ebenso immer wieder eine Zumutung. Wir muten uns gegenseitig eine Menge zu.

30 Jahre später: Eva Sixt und Joseph Berlinger stellen 2023 den Brandner Kasper im Stadtpark vor. ©Uwe Moosburger
Dann fragten wir noch nach den weiteren Plänen – und Eva antwortete: „Ich wünsche mir, dass ich mal ein Stück komplett schreibe und Joseph es inszeniert.“ Jetzt, mit »Kafka am Waldrand auf der Marienhöhe im Sommer 2024, geht dieser Wunsch in Erfüllung!