Die Basilika St. Emmeram in Regensburg
Es wurde getrickst, gefälscht und gelogen
Jahrelang arbeiteten die Emmeramer Mönche an einer Lügengeschichte: Die Reliquien des französischen Nationalheiligen Dionysius Areopagita lägen nicht in Saint-Denis, sondern in Sankt Emmeram. Ein Fälscherkrimi aus dem Mittelalter

Das Kloster Saint-Denis in Frankreich dagegen erlebte seit zwei Jahrhunderten einen regelrechten Boom: Hildwin, Abt von Saint-Denis, identifizierte den Pariser Märtyrer Dionysius mit Dionysius Areopagita, dem Schüler des Apostels Paulus. Die Gebeine des Heiligen liegen in Saint-Denis, und nachdem Ludwig VI. einen Einfall Heinrich V. mit der Hilfe des Heiligen – er erflehte seinen Beistand und zog unter seiner Fahne in die Schlacht – siegreich abwehrte, wurde Dionysius zu Frankreichs Schutzpatron und das Kloster blühte auf, wurde zur Salbungs- und Grabstätte französischer Kaiser und war ein wichtiges Pilgerziel.
Da kommt eine sensationelle Entdeckung gerade recht: 1049 fanden die Emmeramer bei Bauarbeiten in ihrem Kloster alte Gebeine… und kurz darauf in der Klosterbibliothek auch Hinweise auf die Herkunft der Knochen. Es handelte sich angeblich um niemand geringeren als besagten Dionysius. Die gefundene Translatio berichtet, dass Kaiser Arnulf auf seinem Kriegszug vor den Toren Paris‘ plötzlich den Entschluss fasste, die Reliquien irgendeines Heiligen, am besten jenen des heiligen Dionysius zu erwerben – was ihm mit Hilfe eines verschlagenen Mönchs aus Saint-Denis auch gelang. An seinem Sterbelager überließ er die Gebeine samt allerlei anderen Kostbarkeiten dem Kloster Emmeram.
Doch es gab Zweifel an der Echtheit der Reliquien. Wieso wusste in Saint-Denis niemand vom Verschwinden des Heiligen? Und wieso wurden die Gebeine versteckt?

Glücklicherweise wurden im Fortgang der Bauarbeiten zufällig noch passende Tontafeln freigelegt, welche die Echtheit der Reliquie bestätigten: „Emmeram der Aquitanier und Dionysius Areopagita ruhen hier unter der Herrschaft Kaiser Arnulfs und des König Odo. Unter Abt Ebulo von Saint-Denis hat Gisalpertus ihn gestohlen“ – und es fanden sich auch bald päpstliche und kaiserliche Besitzurkunden. Ganz ausgeräumt schienen die Zweifel damit jedoch nicht, denn gegen Ende des 11. Jahrhunderts tauchte abermals eine Urkunde in Regensburg auf, die diesmal Papst Leo IX. die Echtheit bestätigen ließ. Jedoch: Außer der Regensburger Urkunde gibt es keinen Hinweis darauf, dass ihm überhaupt ein Dionysius, sei er echt oder gefälscht, vorgelegt wurde.
100 Jahre später reagierte schließlich auch Saint-Denis. Der Mönch Haymo beschuldigte die Regensburger Mönche der Fälschung.
Diese indes verehrten ihren Dionysius unbeirrt weiter. Und sie fälschten unbeirrt weiter: Ende des 13. Jahrhunderts stellten sie etliche Grabmäler bayerischer Herzöge, Könige und Kaiser auf, die angeblich vor Jahrhunderten in der Abtei beigesetzt wurden.
Mit einer weiteren gefälschten Urkunde gelang ihnen dann auch ihr Meisterwerk: Sie „überarbeiteten“ eine Urkunde Ludwigs des Kindes, in der sie sich die Freiheit bestätigen, die sie schon lange ersehnen: direkte Unterstellung unter den König, völlige Unabhängigkeit vom Bischof. Als diese Urkunde König Adolf von Nassau vorgelegt wurde, bekräftigte er den Emmeramern 1295 die Reichsfreiheit. Damit erreichte das Kloster endlich den Status, den es für angemessen hielt.
Quellen
Andreas Kraus: Die Translatio S. Dionysii Areopagitae von St. Emmeram in Regensburg
Peter Brielmaier & Uwe Moosburger: Regensburg – Metropole im Mittelalter
- Unsere nächste Veranstaltung in der Basilika St. Emmeram:
- 10. Oktober · 19:30 Uhr - »Verloren ...aufgehoben in St. Rupert
- 14. Dezember · 17:00 Uhr - »Festliches Weihnachtskonzert mit Harmonic Brass
Basilika St. Emmeram
Emmeramsplatz
93047 Regensburg

Wer war dieser Dionysius?

