Die BAsilika St. Emmeram in Regensburg

Es wurde getrickst, gefälscht und gelogen

Jahrelang arbeiteten die Emmeramer Mönche an einer Lügengeschichte: Die Reliquien des französischen Nationalheiligen Dionysius Areopagita lägen nicht in Saint-Denis, sondern in Sankt Emmeram. Ein Fälscherkrimi aus dem Mittelalter

Die Basilika St. Emmeram ©qwesy qwesy
© qwesy qwesy, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons
Regensburg. Mitte des 11. Jahr­hunderts schien die Blüte­zeit von St. Emmeram vorbei. Das Klos­ter verlor immer mehr an Bedeu­tung, der politische Einfluss sank, auch die Anzie­hungskraft als Pilgerziel ließ nach. Und das Klos­ter­säckel leerte sich damit auch…
Das Kloster Saint-Denis in Frank­reich dagegen erlebte seit zwei Jahrhunderten einen regel­rech­ten Boom: Hildwin, Abt von Saint-De­nis, identifi­zierte den Pariser Mär­tyrer Dionysius mit Dionysius Areo­pagita, dem Schüler des Apos­tels Paulus. Die Gebeine des Hei­ligen liegen in Saint-Denis, und nachdem Ludwig VI. einen Einfall Heinrich V. mit der Hilfe des Heiligen – er erflehte seinen Bei­stand und zog unter seiner Fahne in die Schlacht – siegreich abwehr­­te, wurde Dionysius zu Frank­reichs Schutzpatron und das Klos­ter blühte auf, wurde zur Sal­bungs- und Grabstätte franzö­si­scher Kai­ser und war ein wich­tiges Pilgerziel.
Da kommt eine sensationelle Ent­deckung gerade recht: 1049 fan­den die Emmeramer bei Bau­ar­bei­ten in ihrem Kloster alte Ge­beine… und kurz da­rauf in der Kloster­bibliothek auch Hinweise auf die Herkunft der Knochen. Es han­delte sich angeb­lich um nie­mand geringeren als besagten Dio­ny­sius. Die ge­fun­dene Trans­latio berich­tet, dass Kai­ser Ar­nulf auf seinem Kriegszug vor den Toren Paris‘ plötz­lich den Ent­schluss fasste, die Reliquien ir­gend­eines Heiligen, am besten jenen des heiligen Dio­nysius zu erwer­ben – was ihm mit Hilfe eines ver­schla­genen Mönchs aus Saint-Denis auch ge­lang. An seinem Sterbelager überließ er die Ge­bei­ne samt allerlei anderen Kostbarkeiten dem Klos­ter Emme­ram.
Doch es gab Zweifel an der Echtheit der Reliquien. Wieso wusste in Saint-Denis niemand vom Ver­schwinden des Heiligen? Und wieso wurden die Gebeine versteckt?
St. Emmeram Regensburg - Krypta
Wolfgangskrypta © Paep45, CC BY-SA 4.0
Glücklicherweise wurden im Fort­gang der Bauar­beiten zufällig noch passende Tontafeln freige­legt, welche die Echtheit der Re­liquie bestätigten: „Emmeram der Aquitanier und Dionysius Areo­pa­gita ruhen hier unter der Herr­schaft Kaiser Arnulfs und des Kön­ig Odo. Unter Abt Ebulo von Saint-Denis hat Gisalpertus ihn gestoh­len“ – und es fanden sich auch bald päpstliche und kai­ser­liche Be­sitz­urkun­den. Ganz ausgeräumt schienen die Zweifel damit jedoch nicht, denn gegen Ende des 11. Jahrhunderts tauchte abermals ei­ne Ur­kun­­de in Regensburg auf, die diesmal Papst Leo IX. die Echtheit bestätigen ließ. Jedoch: Außer der Regensburger Urkunde gibt es keinen Hinweis darauf, dass ihm überhaupt ein Dionysius, sei er echt oder gefälscht, vorge­legt wurde.
100 Jahre später reagierte schließ­lich auch Saint-Denis. Der Mönch Haymo beschuldigte die Re­gens­­burger Mönche der Fälschung. Diese indes verehrten ihren Dio­nysius unbeirrt wei­ter. Und sie fälschten unbe­irrt weiter: Ende des 13. Jahr­hunderts stellten sie etliche Grabmäler bayeri­scher Her­zöge, Könige und Kaiser auf, die an­geb­lich vor Jahrhunderten in der Abtei beige­setzt wurden.
Mit einer weiteren gefälschten Urkunde gelang ih­nen dann auch ihr Meisterwerk: Sie „überar­bei­teten“ eine Urkunde Ludwigs des Kindes, in der sie sich die Freiheit bestätigen, die sie schon lange er­­seh­nen: direkte Un­terstellung un­ter den König, völlige Unab­hängig­keit vom Bischof. Als diese Ur­kun­de Kö­nig Adolf von Nassau vorge­legt wurde, bekräftigte er den Em­meramern 1295 die Reichs­freiheit. Da­mit erreichte das Kloster end­lich den Status, den es für ange­mes­sen hielt.

Quellen

Andreas Kraus: Die Translatio S. Dionysii Areopagitae von St. Emmeram in Regensburg Peter

Brielmaier & Uwe Moosburger: Regensburg – Metropole im Mittelalter

Basilika St. Emmeram

Emmeramsplatz

93047 Regensburg

Wer war Dionysius Areopagita?

Heiliger Dionysius von Paris
Dionysius war um 250 Bi­schof von Paris und wur­de auf Befehl des römischen Statthalters ver­­haftet und enthauptet. Die Legende berich­tet, Dionysius habe auf dem Richtplatz sein ab­ge­schla­genes Haupt aufgeho­ben, es in einer Quelle ge­wa­schen und sei dann nach Norden gegangen – bis zu der Stelle, wo er begraben werden woll­te. Dort entstand später die Abtei Saint-Denis.
Innenraum der Basilika St. Emmeram in Regensburg ©Bernd Gross
Kirchenschiff der Basilika St. Emmeram © Dr. Bernd Gross, CC BY-SA 3.0

Die Basilika St. Emmeram

Die Kirche wurde um 780 auf dem Grab des heiligen Em­meram, der dort gegen 690 beigesetzt wurde, errichtet. Verlet­zungen auf den Gebeinen, die mit dem beschriebenen Martyrium überein­stimmen, sprechen dafür, dass es sich hierbei wirklich um Emmeram handelt. Über die Jahrhunderte erfolgten verschiedene bauliche Veränderungen von der Saalkirche zur dreischiffi­gen Ba­si­lika mit mit Hallenkrypta für die Gebeine von St. Dionysius und St. Wolfgang von Regensburg. Die damals entstandenen Steinreliefs am Nordportal – Jesus Christus und die Heiligen Emmeram und Dionysius – sind die frühesten ihrer Art in Deutschland. 1642 wurde das Mittelschiff durch einen Brand zerstört und wieder aufgebaut. 1730 bis 1733 schließ­lich erfolgte durch die Gebrüder Asam die Neuausge­staltung der Basilika im Barockstil.